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Quelle: utopia.de
von Aie Al Khaiat, freie Autorin für utopia und Wissenschaftlerin in der Krebsforschung
Jahrelang herrschte die Annahme, das Klima verändere sich linear. Doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Das Klima kann abrupt umschlagen. Und das passiert, wenn so genannte Kipppunkte im Klima erreicht werden.
Wenn wir über die globale Erwärmung sprechen, dann stellen wir uns eine schrittweise Verschlechterung unseres Klimasystems vor. Die Erde wird immer wärmer und das Klima verändert sich nach und nach. Etwa wie eine stetig ansteigende Linie. Das ist aber nicht so. Denn das Klima verändert sich sprunghaft.
Eine besondere Rolle spielen dabei Klima-Kipppunkte. Das sind Schwellenwerte im Klimasystem, die wie so genannte „points of no return“ reagieren: Wird ein solcher Schwellenwert erreicht, führt das zu unumkehrbaren Veränderungen des Erdklimas.
Das kann man sich in etwa wie kochendes Nudelwasser vorstellen. Wenn das Nudelwasser im Kochtopf zu sehr schäumt, läuft es über. Dann reduzieren wir die Temperatur und das Wasser bleibt im Topf. Aber anders als beim überkochenden Nudelwasser können wir bei der Erde keinen Schalter umlegen. Kocht sie einmal über, lässt sich der Prozess nicht mehr aufhalten. Aber es gibt Hoffnung.
Es gibt viele verschiedene Kipp-Punkte, die alle in Beziehung zueinander stehen. Dazu gehören unter anderem:
All diese Klimabereiche sind unweigerlich miteinander verbunden. Bereits kleine Veränderungen, die zum Erreichen eines einzigen Schwellenwertes führen, können eine klimatische Kettenreaktion verursachen. Und diese Reaktion lässt sich dann nicht mehr aufhalten. Aber was genau passiert, wenn ein Kipppunkt überschritten wird?
Das lässt sich am Beispiel der Ozeanströmung veranschaulichen: Die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) ist das Strömungssystem des Atlantiks und gehört zur globalen Ozeanströmung. Solche Ozeanströmungen funktionieren wie ein Fließband, sie transportieren Gase, Wärme und Salze in verschiedene Ozeangebiete.
Die AMOC transportiert hauptsächlich Wärme und salzreiches Wasser. Fließt nun durch Abschmelzen des Eisschilds in der Antarktis Süßwasser in den Ozean, stört dies das Fließverhalten und damit das natürliche Gleichgewicht der Ozeanzirkulation. „Eine weitere Verlangsamung der AMOC könnten den westafrikanischen Monsun destabilisieren und Dürren in der afrikanischen Sahelzone auslösen“, warnt Professor Lenton, Direktor des Global Systems Institute an der Universität Exter (UK) im Wissenschaftsmagazin nature.
Doch eine Verlangsamung der AMOC hat nicht nur Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent. Auch der Amazonas könnte austrocknen. Dabei ist das Austrocknen des Amazonas und der Kollaps des Amazonas-Regenwaldes selbst schon ein Kipp-Punkt.
Die Auswirkungen auf das globale Klima wären verheerend. „Unserer Ansicht nach deuten allein die Hinweise (auf die Existenz) von Kipppunkten darauf hin, dass wir uns in einem planetarischen Notfall (planetary emergency) befinden“, appellieren Professor Lenton und andere Autor*innen im nature-Magazin.
Der Amazonas-Regenwald, in dem allein 16.000 verschiedene Baumarten leben, steht seit 2019 kurz vor dem Kipppunkt. Das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) gab an, dass sich die Abholzungsrate des Regenwalds 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent erhöht hat. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Monica de Bolle vom Peterson Institute für internationale Wirtschaft (PIIE) in Washington berechnete, dass der Amazonas schon im Jahr 2021 zu sterben beginnen könne.
Mehrere Milliarden Bäume wurden im Regenwald bereits abgeholzt oder abgebrannt. Dadurch erwärmt sich der Regenwald schneller. Außerdem spielen Bäume eine entscheidende Rolle bei der Rückführung von Wasser in die Atmosphäre. Das aufgenommene Wasser verdunstet über die Blätter und fällt dann als Regen in den Regenwald. Fehlen die Bäume, bedeutet das weniger Niederschlag und höhere Temperaturen.
„Wenn das Baumsterben, das wir sehen, noch zehn bis 15 Jahre anhält, dann wird sich der südliche Amazonas in eine Savanne verwandeln“, sagt Dr. Carlos A. Nobre, Klimawissenschaftler an der Universität Sao Paulo. Er und Dr. Thomas E. Lovejoy, Universitätsprofessor an der George Mason Universität, veröffentlichten 2018 einen Bericht zur Abholzung des Regenwaldes. Laut ihren Berechnungen würde die Abholzung von 20 bis 25 Prozent des Amazonas-Regenwaldes dazu führen, dass das östliche, südliche und zentrale Amazonien in Nicht-Wald-Ökosysteme umschlägt.
Wann genau ein Kipppunkt erreicht ist, können Wissenschaftler:innen nicht vorhersagen. Dafür sind die zusammenhängenden Prozesse noch nicht ausreichend erforscht. Beispielsweise fehlen Daten darüber, wie Klimawandel, Abholzung und Brände sich gegenseitig beeinflussen und wie Wälder darauf reagieren. Was den Amazonas-Regenwald betrifft, sind sich Lovejoy und Nobre jedoch einig: „Heute stehen wir genau in einem Moment des Schicksals: Der Kipppunkt ist hier, er ist jetzt.“
„Es ist bereits zu spät, um einige Kipppunkte zu verhindern, da es Hinweise darauf gibt, dass mindestens neun bereits durchbrochen wurden“, sagt Katherine Richardson, Professorin für biologische Ozeanographie an der Universität von Kopenhagen. Zu den neun Kipppunkten zählen unter anderem der Amazonas-Regenwald, Warmwasserkorallen und das arktische Meereis. Wichtig sei nun, das Risiko für eine Kettenreaktion zu minimieren. Und das geht nur, wenn der menschengemachte Klimawandel gebremst wird.
Die bis zu 1500 Meter tief gefrorenen Böden in der Arktis, Sibirien und in Hochgebirgsregionen wie der Zugspitze gehören zu den größten Kohlenstoffspeichern der Erde. Schätzungen zufolge enthalten sie rund doppelt so viel Kohlenstoff (ca.1700 Milliarden Tonnen), wie sich derzeit in der Atmosphäre befindet. Taut nun dieser Untergrund aus Eis und Erde auf, wird ein Prozess eingeleitet, wie man ihn von der Kompostierung her kennt. Bakterien und Mikroorganismen beginnen, einen Großteil der im Boden enthaltenen Tier- und Pflanzenreste abzubauen. Dabei wandeln sie deren organisch-gebundenen Kohlenstoff in Kohlendioxid (CO2) und in das noch stärkere Treibhausgas Methan um.
Die Treibhausgase verstärken die Erderwärmung und treiben wiederum das Auftauen des verbliebenen Permafrostbodens (Dauerfrostboden) voran. Wissenschaftler bezeichnen diesen sich selbst verstärkenden Prozess als Permafrost-Rückkopplungseffekt.
Diese Effekte wurden in bisherigen Klimamodellen noch nicht mit einberechnet!
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